Karl-Heinz Richter

Autorenlesung_Vorspann

Ein lebendiges Stück neuerer deutscher Zeitgeschichte konnten die Schüler der 8. – 10. Klassen am Mittwoch persönlich kennen lernen: Der Autor und Zeitzeuge der DDR-Vergangenheit „Kalle“ Richter war aus Berlin angereist, um von seinem Schicksal zu erzählen, das er in seinem autobiographischen Buch „Mit dem Moskau-Paris-Express in die Freiheit“ verarbeitet hat.

„Ich beneide euch. Nicht um eure Jugend – denn jung war ich selbst einmal – nein, ich beneide euch darum, dass ihr in einer Demokratie aufwachsen dürft – denn das durfte ich nicht!“ Mit diesen Worten begrüßte Herr Richter die Jugendlichen und hatte diese nach kürzester Zeit mit seiner spannenden und anschaulichen Erzählweise in seinen Bann gezogen. Mit typischer „Berliner Schnauze“ berichtete der Autor in eindrucksvoller Weise von seinem Fluchtversuch aus Ostberlin in den Westen, bei dem er sich beide Beine und den Arm brach und von seiner Verhaftung durch das Ministerium für Staatssicherheit. Betroffen reagierten die Schüler, als der Autor die Schikanen und Repressalien schilderte, denen er und auch seine Frau und Tochter jahrelang ausgesetzt waren. „Hat sich denn später nie jemand bei Ihnen wenigstens entschuldigt?“ lautete die Frage einer Schülerin.

Da die Erlebnisse Richters ohne Kenntnis der geschichtlichen Grundlagen und Hintergründe wohl nur schwer zu verstehen gewesen wären, war zusätzlich zur unterrichtlichen Behandlung im GSE-Unterricht unter der Leitung von Herrn Staudinger eine beeindruckende Ausstellung zur DDR-Geschichte entstanden. Mit Hilfe von Fragebögen dazu konnten sich die Schüler vorab über ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte informieren. Bei der Internetrecherche über den Autor waren außerdem Kurzbiographien in Form von Steckbriefen entstanden, so dass die Schüler bestens vorbereitet waren.

„War die DDR eine Diktatur?“ Auch zu dieser Frage nahm K.-H. Richter Stellung und bejahte sie entschieden. „ Die DDR war ein System, das Menschen seelisch kaputt machte“, so Richter, „und konnte sich nur so lange halten, weil es den meisten DDR-Bürgern an der nötigen Zivilcourage fehlte, weil zu viele wegsahen. Wegsehen heißt Mitmachen!“ Mit diesen Gedanken beendete er seinen Vortrag und gab den Schülern noch mit auf den Weg: „Glaubt nicht sofort alles, was man euch erzählt, sondern seid kritisch und hinterfragt. Und ganz wichtig im Leben ist eines: durchhalten, auch wenn´s schwerfällt, und nie aufgeben!“ Die Begegnung mit Karl-Heinz Richter zeigt einmal mehr: Die Freiheit lässt sich nicht einmauern oder mit Gewehren bewachen. Um sie zu erreichen, setzen unzählige Menschen immer wieder alles auf eine Karte – auch ihr Leben.

Kurzbiographie des Autors

Karl-Heinz Richter wurde 1946 in Schwarzheide im Kreis Calau geboren. Schon während seiner Schulzeit lehnte er sich gegen das SED- Regime auf. 1963 machte er die mittlere Reife und begann noch im selben Jahr eine Ausbildung als Büromaschinenmechaniker. Im Januar 1964 scheiterte sein Fluchtversuch aus der DDR mit dem Moskau-Paris-Express und er wurde inhaftiert. Nach der Haftentlassung beendete er seine Berufsausbildung erfolgreich und war in verschiedenen Berufen tätig, unter anderem auch als Monteur in den Rohrwerken Bitterfeld. 1975 reiste er endlich mit seiner Frau und Tochter nach Westberlin aus. Neben langjährigen Auslandsaufenthalten war er als Fernfahrer und in anderen Berufen tätig. 1979 erhielt er wegen Fluchthilfe Transitverbot durch die DDR . 2004 kehrte er nach Berlin zurück, wo er heute lebt. Seit 2008 führt er Besuchergruppen durch die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.

(B. Manhart)